FAQ – Paludikultur

Paludikultur – ein Überblick

Was ist Paludikultur?
Paludikultur (von „palus“: lat. Sumpf, Morast) bezeichnet land- oder forstwirtschaftliche Praktiken auf wiedervernässten Feuchtgebieten oder Moorböden unter Bewahrung des Torfkörpers. Durch Wiedervernässung können diese trockengelegten, gegebenenfalls degradierten landwirtschaftlich genutzten Flächen ohne Schutzstatus einer neuen Funktion zugeordnet werden. Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft in trockeneren Gebieten erfordert die Paludikultur eine Anpassung an die spezifischen Bedingungen von Feuchtgebieten. Diese bieten aus ökologischer Sicht wichtige Lebensräume, deren Integrität es zu bewahren bzw. wiederherzustellen gilt. Paludikultur kann unter Umständen durch spezielle Anbaumethoden, nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken sowie der Einhaltung von Agrarumweltprogrammen eine Ertragsmaximierung erzielen, ohne dabei die Umwelt zu schädigen. Durch den Erhalt von Moorböden und die Kultivierung von moortypischen Pflanzen, können Landwirte so zur Erhaltung der Biodiversität beitragen und gleichzeitig oberirdische Biomasse im Sinne der Bioökonomie verwerten. In Schutzgebieten hingegen sind Restauration und die Befolgung von Naturschutzzielen den wirtschaftlichen Interessen jedoch stets vorzuziehen.
Welche Arten von Paludikultur gibt es?
Paludikultur wird in vielen Ländern der Welt auf unterschiedliche Weise betrieben, in Deutschland gehören Schilfanbau zur Dacheindeckung und Nasswiesen für Einstreu zu den dominierenden Arten. Weitere Konzepte für die erfolgreiche Bewirtschaftung von wiedervernässten, landwirtschaftlich genutzten Flächen befinden sich in Erprobung und Entwicklung, um Risiken zu minimieren und die erforderlichen Richtlinien zu bestimmen.
Je nach Art der Etablierung kann zwischen natürlich entstehenden Vegetationsbeständen, wie beispielsweise Nasswiesen oder Nassweiden und der Anbau-Paludikultur, einer gezielten Bestandsgründung, unterschieden werden. Dabei kommen für die Kultivierung moortypische Pflanzenarten in Frage, die in feuchten Gebieten als Dauerkultur gedeihen. Für den Erfolg einer nachhaltigen Bewirtschaftung ist eine Anpassung an die spezifischen örtlichen Gegebenheiten eines Moorgebiets, dessen Merkmale und Umweltbedingungen, entscheidend.
Grundsätzlich müssen hierbei Hochmoore von Niedermooren getrennt betrachtet werden, denn diese unterscheiden sich in Bezug auf die Wasserversorgung und den Nährstoffgehalt, die sich im Laufe einer Wiedervernässung prägend auf die Auswahl der kultivierbaren Pflanzen sowie deren Bewirtschaftung auswirken.
Hochmoore zeichnen sich durch nährstoffarme, saure Böden (pH-Wert zwischen 3 und 4,8) aus, die ausschließlich durch Regenwasser gespeist werden. Die dominierenden Pflanzenarten sind Torfmoose, Wollgräser und Binsen, begleitet von Gefäßpflanzen wie Moosbeeren, verschiedenen Heidenarten und Sonnentau. Erfolgreiche Pilotprojekte zeigen, dass sich wiedervernässte Hochmoore durch eine geregelte Bewässerung mittels Einstaugräben z.B. für die Kultivierung von Torfmoos eignen könnten. Diese Art von Anbau-Paludikultur kann als Biomassequelle bzw. als hochwertigen Torfersatz in Kultursubstraten dienen.
Im Gegensatz dazu zeichnen sich Niedermoore durch einen höheren Grundwasserstand und nährstoffreiche Böden mit hohem Stickstoffgehalt aus. Nach einer Wiedervernässung eignen sich diese Flächen einerseits für die extensive Nutzung als Streuwiese oder Weideland für Wasserbüffel. Andererseits bieten sie mit einer breiten Vielfalt an Pflanzenarten auch die Möglichkeit zur Biomasseproduktion, sowohl für die stoffliche als auch energetische Verwertung. Bedeutende Pflanzenarten für den mitteleuropäischen Raum sind Halmgüter, wie Schilf, Rohrkolben, Rohrglanzgras sowie Seggenarten, aber auch Staunässe tolerierende Holzarten, wie Weiden, Birken, Erlen oder Eschen sind typisch für diese Gebiete.
Weitere Informationen liefert das Greifswald Moor Center, das in einer umfassenden Datenbank von 200 Pflanzenarten, die sich für den Anbau als Paludikultur auf heimischen wiedervernässten Moorflächen eignen würden, 20 Arten als ökonomisch besonders vielversprechend bewertet hat. Hierbei wurden Nachhaltigkeitskriterien wie Torferhaltung, Marktpotenzial und bisherige Umsetzung in Betracht gezogen.
Warum sollten Paludikulturen angebaut werden?
Paludikultur auf wiedervernässten Standorten vereint ökonomische, ökologische und soziale Aspekte und bietet unterschiedliche Vorteile, wobei das primäre Ziel dieser Bewirtschaftungsform der Erhalt oder sogar die Vermehrung der Torfschicht ist, um der Freisetzung von CO2 und der Senkung des Bodens entgegenzuwirken. So verhindern ganzjährig hohe, torferhaltende Wasserstände den Verlust und die Degradierung von Torf als Produktionsgrundlage für Biomasse, und tragen zur Erhaltung von Nutzflächen bei. Gleichzeitig haben sich Moore als Kohlenstoffspeicher bewahrt und wirken klimaschützend, indem sie Treibhausgasemissionen reduzieren. Im Gegensatz zur herkömmlichen Landwirtschaft unterstützen wiedervernässte Moore auch den Schutz umliegender Gewässer: einerseits benötigen diese Flächen keine zusätzliche Düngung, andererseits findet eine Wasserrückhaltung und -filterung durch den dichten Pflanzenbestand statt. Wiedervernässung bedeutet auch die Restaurierung von spezifischen Lebensräumen für seltene oder gefährdete Tiere und Pflanzen. Unter Beachtung spezieller Agrarumweltprogramme, einem schonenden Management dieser Standorte (z.B. Anlage von Rotationsbrachen, oszillierende Mahdtechnik und Einhaltung angepasster Bewirtschaftungstermine) und angepasster Maschinentechnik, kann Paludikultur indirekt den Artenschutz fördern und eine nachhaltige Rohstoffgewinnung ermöglichen. Für die regionale Wertschöpfung bedeutet der Ausbau von Nutzflächen auf wiedervernässten Gebieten eine langfristige Stärkung, indem den Landwirt*innen dadurch Alternativen für lukrative Einkommensquellen geboten werden.
Welche Nutzungsmöglichkeiten gibt es für Paludikulturen?
Einerseits bietet die Beweidung von wiedervernässten Flächen eine mögliche Nutzungsform in Kombination mit Tierhaltung, andererseits lassen sich spezielle Pflanzen als regional nachwachsende Rohstoffe kultivieren. Aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten sind auch die Möglichkeiten auf Nieder- und Hochmooren abweichend. Biomasse aus Paludikultur auf wiedervernässten Niedermooren bietet neben altbewährten Verwertungsmöglichkeiten zahlreiche unterschiedlich gut erforschte, innovative Anwendungen. In der nachfolgenden Auflistung werden einige der bedeutendsten Einsatzgebiete vorgestellt:

    Stoffliche Nutzung:

  • als Einstreu,
  • traditionell als Baustoff (z.B. Reetdach und Schilfmatte),
  • im Bausektor als Dämmstoffalternative (Einblasdämmung, Dämmmatten oder Dämmplatten) oder Akkustik- und Schaumplatten sowie als Putzträger im Lehmbau,
  • als Wertholz zur Herstellung von Span-, Faser- und OSB-Platten sowie Furnier- oder Sägeholz für Massivmöbel und Innenausbau (z.B. Schwarzerle),
  • als Rohstoffe für die Industrie (z.B. Bioraffinerie) zur Herstellung von Basischemikalien.
    Energetische Nutzung:

  • als Brennstoff in Biomasseheiz(kraft)werken in Form von Quaderballen, Pellets oder Briketts (z.B. Schilf und Seggen), als Substrat in Biogaslagen (insbesondere Rohrkolben, Rohrglanzgras und Schilfrohr.

Auch auf wiedervernässten Hochmooren bietet sich die Möglichkeit zur Kultivierung weiterer Pflanzenarten, die für die stoffliche Verwertung von Interesse sein könnten. Torfmoos gilt als dominierende Art dieser Gebiete und kann vorwiegend in Kultursubstraten des Pflanzenbaus als Torfersatzstoff herangezogen werden. Zusätzlich weist Paludikultur auf diesen Standorten ein beachtliches Potenzial hinsichtlich Phyto- und Alternativmedizin auf, denn ein breites Spektrum an relevanten Arzneipflanzen, würden sich für den Anbau eignen. Zu den wichtigen Vertretern dieser Arten gehören der rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia L.), der Fieberklee (Menyanthes trifoliata), der Faulbaum (Frangula alnus) oder auch der Ufer-Wolfstrapp (Lycopus europaeus).

Gibt es Förderung für den Anbau von Paludikulturen?
Für den Aufbau und die Bewirtschaftung von Paludikulturflächen gibt es unterschiedliche Fördermöglichkeiten. So ist beispielsweise der Anbau bestimmter Paludikulturen im Sinne des GAP-Strategieplans der EU förderfähig, wobei jedoch Rohrkolben und Schilf aktuell nicht beihilfefähig sind. Zudem gibt es Förderangeboten über Klimaschutzprogramme (z.B. NABU+) sowie Fördertöpfe aus dem Bereich des Natur- und Artenschutzes. Über die FNR (Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe) werden Forschungsprojekte in diesem Bereich unterstützt. Die Rentenbank fördert Investitionen von KMU der landwirtschaftlichen Primärproduktion in die Bewirtschaftung von Paludikulturen (Technik und Maschinen), sowie in die Verarbeitung und Vermarktung von Biomasse aus Paludikulturen. Einzelne Bundesländer fördern auf unterschiedliche Art und Weise den Anbau von Paludikulturen. So bietet Bayern beispielsweise mit dem Moorbauernprogramm Fördermöglichkeiten für die dauerhafte Umwandlung von Acker in Grünland, künftig soll die Bewirtschaftung von nassem Grünland und der Anbau und die Etablierung von Paludikulturen und auch der Einsatz von Spezialtechnik gefördert werden. Weitere Informationen hierzu finden sich unter: https://www.stmelf.bayern.de/foerderung/foerderung-von-agrarumweltmassnahmen-in-bayern/index.html.
Hilfestellung, das passende Angebot herauszufiltern sowie eine intensive Betreuung von Anfang an, bieten verschiedene Forschungseinrichtungen, gemeinnützige Organisationen sowie die zuständigen Behörden. Zudem gibt es die Möglichkeit für Betriebe an Modellprojekten teilzunehmen.
Welchen Beitrag leistet der Anbau und die Bewirtschaftung von Paludikulturen zum Klimaschutz?
Trockengelegte Moore machen etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen aus. Entwässerung der Moorflächen lässt effektive Kohlenstoffspeicher zu immensen Kohlendioxidquellen werden, da die durch den Wasserstau zum Erliegen gekommenen, mikrobiologischen Prozesse durch Trockenlegung sofort wieder in Gang gesetzt werden. Durch die Wiedervernässung wird die Freisetzung von Treibhausgasen (20 – 90 t CO2 -Äquivalente/ha*a) gestoppt, auf diesen Flächen können jedoch aufgrund des Wasserstands keine traditionellen landwirtschaftlichen Kulturen angebaut werden. Während die jährlichen THG-Emissionen bei der Nutzung von entwässerten Moorböden als Ackerland bei ca. 37 t CO2-Äquivalenten liegen, betragen sie beim Anbau von Paludikultur auf wiedervernässten Standorten nur 5-8 t CO2-Äquivqlente. Werden die Flächen mit dem Ziel der erneuten Torfbildung wiedervernässt, binden die wiedervernässten Flächen weiteren Kohlenstoff (ca. 10 t/ha).
Quelle: greifswaldmoor.de/files/images/pdfs/201908_Broschuere_Klimaschutz%20auf%20Moorböden_2019.pdf

Welchen Vorteil hat der Landwirt beim Anbau von Paludikulturen?
In der Regel können intensiv entwässerte Moorböden, die landwirtschaftlich genutzt werden, nach ca. 30 bis 40 Jahren Probleme wie Nährstoffauswaschung, sinkende Erträge, abnehmende Wasseraufnahmefähigkeit bekommen, u.a. durch Verfestigung des verbleibenden Torfkörpers. Fachleute sprechen hier von „vermulmen“, was zur Folge hat, dass diese Flächen auch an wirtschaftlichem Potenzial verlieren. Dies kann durch die Wiedervernässung und den darauffolgenden Anbau von Paludikulturen verhindert werden. Die Wiedervernässung trägt wie oben beschrieben aktiv zum Klimaschutz auf landwirtschaftlich genutzter Fläche bei.
Welches Flächenpotenzial bieten Paludikulturen?
Die vollständige Wiedervernässung sämtlicher landwirtschaftlich genutzter organischer Böden birgt ein Flächenpotenzial von 1,3 Mio. ha in Deutschland. Von den wiedervernässten Flächen könnten maximal 1,045 Mio. ha (80 %) in Paludikultur überführt werden, wobei für einen Teil naturschutzrechtliche Prüfauflagen bestehen.
220.000 Hektar Moorflächen gibt es in Bayern. Ziel der bayerischen Staatsregierung ist es, ein Viertel dieser Flächen bis 2040 zu renaturieren. Geht man auch hier von ca. 80 % aus, die bis dahin in Paludikultur überführt werden könnte, stünde bis 2040 eine Fläche von 44.000 ha zum Anbau von Paludikulturen zur Verfügung. Die restlichen Flächen böten ein Potenzial für weitere Paludikultur-Nutzung von ca. 130.000 ha (80%).
Quellen und weitere Informationen