Biologische Abbaubarkeit und Kompostierung von Kunststoffen

Der Begriff Biokunststoff oder Bioplastik ist nicht rechtlich geschützt und daher auch nicht einheitlich definiert. Die Vorsilbe „Bio“ kann im Bereich der Kunststoffe für unterschiedliche Eigenschaften stehen: biobasiert und/oder biologisch abbaubar.

Wichtig: Biokunststoffe müssen diese beiden Eigenschaften nicht zwingend gleichzeitig erfüllen!

Biobasiert bedeutet laut Norm DIN EN 16575, dass ein Produkt ganz oder teilweise aus Biomasse (Nachwachsenden Rohstoffen) hergestellt wird.

Biologisch abbaubar bezeichnet das Vermögen organischer Chemikalien oder Werkstoffe, biologisch, also durch Mikroorganismen (insbesondere Saprobionten) oder deren Enzyme zersetzt zu werden.

Für die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen spielt die Rohstoffherkunft, also die Tatsache ob fossile oder Nachwachsende Rohstoffe bei der Herstellung des Produkts verwendet wurden, keine Rolle. Entscheidend dafür, ob ein Material biologisch abbaubar ist, ist ausschließlich seine chemische Struktur. Nur wenn Mikroorganismen und Pilze bzw. deren Enzyme die Moleküle, aus denen der Kunststoff besteht, spalten und vollständig verstoffwechseln können, ist dieser auch biologisch abbaubar.

Biologisch abbaubare Kunststoffe werden durch Mikroorganismen vollständig zu Kohlendioxid (CO2), Wasser (H2O), mineralischen Salzen und Biomasse zersetzt. In der Vergärung kann beim Abbau zusätzlich noch Methan (CH4) entstehen.

Biologisch abbaubar = kompostierbar?

Das ein Kunststoff biologisch abbaubar ist, sagt noch nichts über die nötige Zeit und die Bedingungen aus, in denen ein biologischer Abbauprozess stattfindet. Faktoren wie Feuchtigkeit, Umgebungstemperatur, pH-Wert, Mikroorganismenkonzentration und -Zusammensetzung beeinflussen enorm die Geschwindigkeit der Prozesse.

Eine weitere Spezifizierung des biologischen Abbaus ist daher die Kompostierung. Produkte aus biologisch abbaubaren Kunststoffen gelten nur dann als kompostierbar, wenn sie unter definierten Bedingungen in einem Kompostierungssystem, z.B. der industriellen Kompostierung oder dem Heimkompost, innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne zu Wasser, Kohlendioxid und Biomasse abbauen. Schließlich sollen im fertigen Kompost auch keine problematischen Rückstände zu finden sein, die die Qualität des Kompostes negative beeinflussen.

Zusatznutzen biologisch abbaubarer bzw. kompostierbarer Produkte

Biologisch abbaubare Produkte bieten durch Ihre zusätzliche Entsorgungsoption der Kompostierung, man spricht auch von organischem Recycling, zusätzliches Potential im Bereich der Kreislaufwirtschaft. So wird z. B. durch die Sammlung von Bioabfällen erneuerbare Energie (in Form von Biogas) und Kompost erzeugt. Der Kompost kann dann als Dünger wieder in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden. Biologisch abbaubare Bioabfallbeutel können diesen Kreislauf unterstützen, denn durch ihre Wasserfestigkeit ermöglichen sie einen komfortablen Transport von Bioabfällen in die Biotonne. In der industriellen Kompostieranlage können sie anschließend zusammen mit den gesammelten Bioabfällen kompostiert werden und damit, durch gesteigerte Sammelmengen, zu mehr wertvollem Dünger für Landwirtschaft und Gartenbau beitragen.

Laut Bioabfallverordnung ist die Entsorgung von Bioabfallbeuteln über die Biotonne zulässig – sofern sie nach der DIN EN 13432 zertifiziert und überwiegend aus Nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind. Verpackungen und andere Kunststoffprodukte aus biologisch abbaubaren Kunststoffen sind jedoch aktuell nicht zugelassen.

In der Landwirtschaft können biologisch abbaubare Mulchfolien z. B. direkt nach der Ernte in den Boden eingearbeitet werden. Der Arbeitsaufwand für das Entfernen von konventionellen Folien und die Entsorgungskosten entfallen und auch die Entstehung von Mikroplastik durch evtl. zurückbleibende konventionelle Folienreste wird verhindert.

Neben der Kompostierung kann die biologische Abbaubarkeit auch eine Chance zur Reduktion von Umweltwirkungen von Produkten mit oft unvermeidlichen Kunststoffemissionen bieten, wie z. B. bei Textilfasern, Schuhsohlen, Fischernetzen, Kunstrasen, Kehrmaschinenborsten, Mähfäden von Rasentrimmern, Feuerwerkskörpern, Luftballonen, usw.

Um die zeitlichen und qualitativen Anforderungen an Produkte und Abbau- bzw. Kompostierungsprozesse aneinander anzupassen gibt es Normen und Zertifizierungsprogramme. Um der Vielfalt an unterschiedlichen biologisch abbaubaren Kunststoffen und daraus hergestellten Produkten und den unterschiedlichen Umweltbedingungen am Ort des Abbaus gerecht zu werden, werden verschiedene Zertifizierungen angeboten. Ein zertifiziertes Produkt erkennt man an den darauf abgebildeten Qualitätszeichen des Zertifizierers.

Industriell kompostierbar

Der Keimling ist ein international anerkanntes Qualitätszeichen für die industrielle Kompostierbarkeit von Werkstoffen und Produkten aus biologisch abbaubaren Kunststoffen. Die Zertifizierung erfolgt nach der europäischen Norm DIN EN 134232 und ggf. weiteren nationalen und internationalen Normen

Industriell kompostierbar

Für eine Zertifizierung (hier industriell kompostierbar) nach Norm DIN EN 13432, muss ein biologisch abbaubarer Kunststoff oder eine biologisch abbaubare Verpackung u.a. folgende Kriterien erfüllen:

  • Angabe der Werkstoffinhaltsstoffe für chemische Charakterisierung
  • Prüfung auf vollständige Biologische Abbaubarkeit
  • Biologischer Abbau (im Labortest müssen mind. 90 % des Materials innerhalb von 6 Monaten abgebaut sein)
  • Desintegration, d.h. nach einer Kompostierung dürfen nach max. 12 Wochen höchstens 10 % des ursprünglichen Trockengewichts des Prüfmaterials in einer > 2-mm-Siebfraktion enthalten sein
  • Überprüfen der Kompostqualität (z.B. mittels Pflanzenwachstumstest)
  • Zusatzstoffe, die zu weniger als einem Masse-Prozent enthalten sind, müssen für die Kompostierung unbedenklich sein
  • In der Verpackung verbleibende Reststoffe oder mögliche mit dem Produkt entsorgte Stoffe müssen für die Kompostierung unbedenklich sein
  • Die Gesamtsumme der organischen Verbindungen, für die der biologische Abbau nicht bestimmt werden muss, darf nicht größer als 5 % sein
  • Organische Zusatzstoffe mit Masseanteilen von >1 % im Produkt müssen die Anforderungen von biologisch abbaubaren Zusatzstoffen nachweisen

Seit einiger Zeit wird in Deutschland in der Wertschöpfungskette die Rottezeit der DIN EN 13432 von max. 12 Wochen diskutiert. Diese sei in den Kompostieranlagen zu lange im Vergleich zum realen Abbild der Rottezeiten und somit nicht mehr Stand der Technik. Diesem Umstand trägt das Zertifizierungsprogramm „DINplus Bioabfall-Beutel“ Rechnung, in dem hier -zusätzlich zur DIN EN 13432 oder DIN EN 14995 -Zertifizierung von Bioabfall-Beuteln gemäß Bioabfallverordnung (BioAbfV)- eine Rottezeit von max. 6 Wochen veranschlagt wird.

Bioabfallbeutel DINplus

Das neue Zertifizierungszeichen gilt ausschließlich für Bioabfall-Beutel und ergänzt den bereits etablierten „Keimling“, welcher die Erfüllung der Norm DIN EN 13432 garantiert. Dieses Siegel begrenzt den maximalen Zeitraum, der kompostierbaren Bioabfall-Beuteln zur vollständigen Verrottung gegeben wird, auf 6 Wochen – gerade einmal die Hälfte der europäischen Norm DIN EN 13432, die maximal 12 Wochen einräumt.

Industriell kompostierbar

Produkte und Verpackungen, die das OK Compost INDUSTRIAL-Logo tragen, sind in einer industriellen Kompostierungsanlage garantiert biologisch abbaubar. Dies gilt für alle Komponenten, Tinten und sämtliche Additive.

Heim- und gartenkompostierbar

Das Zertifizierungszeichen DIN-Geprüft Gartenkompostierbar wird für Produkte vergeben, die bei niedrigen Temperaturen z. B. im Garten kompostiert werden können.

Heim- und gartenkompostierbar

Bestimmte Produkte aus biologisch abbaubaren Kunststoffen eignen sich auch für die Kompostierung auf dem heimischen Kompost. Dort herrschen in der Regel deutlich geringere und nicht so konstante Temperaturen wie in einer industriellen Kompostierungsanlagen. Dies führt zu höheren Anforderungen an die biologische Abbaubarkeit der Werkstoffe.

Biologisch abbaubar im Boden

Mit der Norm DIN EN 17033 werden europäische Anforderungen an biologisch abbaubare Mulchfolien für den Einsatz in Landwirtschaft und Gartenbau definiert. Sie ist die Grundlage für die Zertifizierung mit diesem Qualitätszeichen. 

Biologisch abbaubar im Boden

Gerade für landwirtschaftliche und gartenbauliche Produkte bietet die biologische Abbaubarkeit im Boden enorme Vorteile, da diese direkt nach dem Gebrauch eingearbeitet und abgebaut werden können. Das OK biodegradable SOIL-Logo garantiert, dass ein Produkt im Boden vollständig biologisch abbaubar ist und keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Biologisch abbaubar in Süßwasserumgebung

OK biodegradable WATER garantiert den biologischen Abbau in einer natürlichen Süßwasserumgebung. Zertifizierungen sollten richtig kommuniziert werden, um die Gefahr von zusätzlichem Littering zu vermeiden.

Biologisch abbaubar im Meer

Die biologische Abbaubarkeit im Meerwasser kann gerade bei Produkten, die dort zum Einsatz kommen und durch Ihre Nutzung meist auch dort verbleiben (z. B. Fischereiprodukte) einen großen Zusatznutzen darstellen.

Weitere Informationen zur Zertifizierung von biologisch abbaubaren Kunststoffen finden Sie bei den Zertifizierern DIN CERTCO und TÜV AUSTRIA sowie beim Verband European Bioplastics e.V.

Weitere FAQ zu Biokunststoffen finden Sie hier.

Weitere FAQ zu Bioabfallbeuteln finden Sie hier.