Wege zur Bioraffinerie – Straubinger Stakeholder berichten

Die Bioraffinerie stand im Fokus des Fachgesprächs „Ressourcenwende in der Region der Nachwachsenden Rohstoffe“, zu dem C.A.R.M.E.N. e.V. eingeladen hatte. Was tut sich in Straubing und Umgebung im Bereich der Bioökonomie? Was bewirken lokale Akteure? – Auf diese Fragestellungen wurde eingegangen. Die Vorträge der acht Referierenden zeichneten ein großes Bild von bereits erzielten Entwicklungen aber auch von anstehenden Herausforderungen, die für das Voranbringen von Bioraffineriekonzepten wichtig sind.

Einführend stellte Frau Dr. Doris Schieder von der TU München die Unterschiede zwischen einer fossil- und biobasierten chemischen Industrie dar. Als Alternative zu einer Erdölraffinerie bietet das Konzept der Bioraffinerie die Möglichkeit, u.a. chemische Grundstoffe zu produzieren. Außerdem gab sie einen Überblick der verschiedenen Typen von Bioraffinerien, die sich durch die Art der eingesetzten Biomasse kategorisieren lassen.

Chitin ist das zweithäufigste Polysaccharid in der Natur. Es kommt in Algen, Pilzen, Insekten und Krebstieren vor. Sein Potential als biogener Rohstoff wird derzeit jedoch kaum ausgeschöpft. Von den etwa 1,5 Mio Tonnen, die jährlich als Reststoff bei der Verarbeitung von Krebstieren für den Lebensmittelbereich anfallen, werden weniger als 1 Prozent verwertet. Um eine höhere Wertschöpfung zu erreichen, forscht man am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik an Chitin-Derivaten für biobasierte Kunststoffe. Dr. Harald Strittmatter führte aus, dass sie etwa als hydrophobe Textilbeschichtung eignen würden.

Für den Sprung vom Labormaßstab zur Marktreife ist zunächst ein Hochskalieren zum Pilotmaßstab notwendig. Eine dafür bereits geplante Infrastruktur am Hafen Straubing-Sand stellte Dr.-Ing. Thomas Luck vor. Die BioCampus MultiPilot bietet die Möglichkeit, Prozesse und Technologien weiterzuentwickeln und Produktmuster zu generieren. Am BioCampus ist u.a. die CASCAT GmbH angesiedelt. Geschäftsführer André Pick stellte das Startup aus dem Bereich der industriellen und synthetischen Biotechnologie vor. Durch die Kombination enzymatischer und chemischer Katalysatoren werden dort neue Prozessrouten zu chemischen Grundstoffen, wie etwa HMF entwickelt. So gelingt es beispielsweise Fruktose effizient aus stärke- und lignozellulosehaltigen Ausgangsstoffen aufzuschließen bzw. umzuwandeln.

Wie sich aus Reststoffen der Nahrungsmittelproduktion Energie und Pflanzenkohle erzeugen und dadurch negative CO2-Emissionen erreichen lassen, veranschaulichte Felix Ertl von Circular Carbon. Der Gründer stellte sein Unternehmenskonzept und explizit eine Anlage vor, in der Kakaoschalen nachhaltig eingesetzt werden.

Eine Lignozellulose-Bioraffinerie im kommerziellen Maßstab wurde 2022 von Clariant in Podari, Rumänien, in Betrieb genommen. Dort werden jährlich 50.000 Tonnen Bioethanol aus 250.000 Tonnen Stroh mittels der sunliquid-Technologie erzeugt. Die dabei anfallende Lignin-Fraktion wird energetisch genutzt, wodurch die Anlage ihren Energiebedarf selbst decken kann. Herr Dr. Librera machte deutlich, wie wichtig die sunliquid-Anlage in Straubing für dieses erreichte Ziel aber auch für weitere Entwicklungen, etwa in Bezug auf andere Ausgangsstoffe, sei.

In Aiterhofen betreibt die E.ON Bioerdgas GmbH eine Biogasanlage. Der Output ist vielfältig: neben Wärme, Strom und Gärsubstrat, wird Biomethan ins Gasnetz eingespeist. Zudem wurde dieses Jahr eine CO2-Verflüssigungsanlage installiert und vor kurzem in Betrieb genommen. Herr Dr. Harald von Canstein, Projektleiter der CO2-Verflüssigungsanlage in Aiterhofen, verdeutlichte sowohl rechtliche, wirtschaftliche als auch praxisrelevante Aspekte, die vor einer geplanten Vermarktung sowohl von Biomethan als auch von CO2 für die Nahrungsmittelindustrie zu beachten sind.

Abschließend ging Anna Eiglsperger von der Geschäftsstelle des Sachverständigenrats Bioökonomie Bayern auf die Voraussetzungen und Potentiale ein, die Bayern für Bioraffinerien bietet. Zudem wies sie darauf hin, dass bei politischen Rahmenbedingungen noch Handlungsbedarf besteht.