Bioraffinerie – Rohstofflieferant für die Bioökonomie

Die EU ist entschlossen, die europäische Wirtschaft in eine ressourceneffiziente, emissionsarme Wirtschaft umzuwandeln, die den Bedarf an Nahrungsmitteln, Materialien und Energie mit der Notwendigkeit in Einklang bringt, Umweltbelastungen zu reduzieren.

Aktuell basieren große Teile unserer Wirtschaft auf der Nutzung von fossilen Rohstoffen. Um in Deutschland bis zum Jahr 2050 die Treibhausgasneutralität zu erreichen, benötigt es neben dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien auch einen Wandel beim Verbrauch fossiler Rohstoffe in der Industrie. Die große Herausforderung ist dabei, die Gesellschaft weiter ausreichend mit Nahrungsmittel, Energie und Rohstoffen zu versorgen und gleichzeitig den Schutz der Umwelt und der Biodiversität zu gewährleisten.

Nicht nur die chemische Industrie bezieht einen Großteil ihrer Rohstoffe aus fossilen und damit endlichen und klimarelevanten Quellen. Doch viele Produkte, Werkstoffe und auch Basischemikalien lassen sich inzwischen aus Nachwachsenden Rohstoffen herstellen. Hier setzt das weitreichende Konzept der Bioraffinerien an:

Eine Bioraffinerie zeichnet sich durch ein explizit integratives, multifunktionelles Gesamtkonzept aus, das Biomasse als vielfältige Rohstoffquelle für die nachhaltige Erzeugung eines Spektrums unterschiedlicher Zwischenprodukte und Produkte (Chemikalien, Werkstoffe, Bioenergie inkl. Biokraftstoffe) unter möglichst vollständiger Verwendung aller Rohstoffkomponenten nutzt; als Koppelprodukte können ggf. zusätzlich auch Nahrungs- und/oder Futtermittel anfallen. Hierfür erfolgt die Integration unterschiedlicher Verfahren und Technologien.

Roadmap Bioraffinerie, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

In Anlehnung an das Konzept der Erdöl-Raffinerien geht es also um die möglichst effiziente, nachhaltige und umfassende Verwertung von Biomasse (z. B. Holz, Stroh, Gras, Agrar- und Holzreststoffe oder Bioabfälle). Dabei können unterschiedlichste Technologien und Verfahren eingesetzt werden. Nach einer Primärraffination, also der Vorbehandlung, Aufbereitung und Auftrennung der Biomassekomponenten (z. B. Cellulose, Stärke, Zucker, Pflanzenöl, Lignin, Pflanzenfasern, Biogas oder Synthesegas) erfolgen weitere Konversions- und Veredelungsschritte, die sogenannte Sekundärraffination. Durch diese Kombination erhält man, ähnlich wie in Erdölraffinerien, ein breites Spektrum an Zwischen- und Endprodukten. Dies können Nahrungsmittel, Futtermittel, Düngemittel, Basischemikalien, Werkstoffe, Arzneimittel und andere pflanzliche Wertstoffe aber auch Energie und Energieträger sein. Durch Kopplung der stofflichen und energetischen Nutzung der Biomasse lässt sich die Effizienz der Verfahren und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen steigern.

Man kann Bioraffinerien auch nach dem grundlegenden Ansatz ihrer Konzeption unterscheiden. Der Bottom-up-Ansatz sieht die Erweiterungbestehender Biomasseverarbeitungsanlage, wie z. B. Zucker-, Stärke-, Zellstoffwerke sowie Ölmühlen und Bio-Ethanol-Anlagen vor, während durch den Top-down-Ansatz vollkommen neu-konzipierte, innovative Verfahren in hoch integrierten Anlagen umgesetzt werden sollen.

Die große Vielfalt in der Zusammensetzung (u. a. Kohlenhydrate, Fette, Öle,  Proteine, usw.) von Biomasse führt zu einer Reihe von unterschiedlichen technologischen Ansätzen und Bioraffineriekonzepten:

Ein entscheidendes Merkmal von Bioraffinerie ist die breite Vielfalt der Zwischen- und Endprodukte. Nur wenn Biomasse neben einem Hauptprodukt – etwa Zucker, Zellstoff, Biodiesel oder Biogas – noch weiter Neben- bzw. Koppelprodukte liefert, spricht man von einer Bioraffinerie. Dieser effiziente Ansatz in der Verwertung von Nachwachsenden Rohstoffen bietet große Chancen für eine treibhausgasreduzierte Wertschöpfung und Ressourceneffizienz im Sinne eine kreislaufortientierten Bioökonomie.

Zucker- und Stärke-Bioraffinerien:

Dieses Konzept der Bioraffinerie beruht auf der etablierten Produktion von Zucker oder Stärke aus Zuckerrüben, Zuckerrohr, Getreide, Mais oder Kartoffeln. Die energiereichen Kohlenhydrate Zucker können, neben ihrer Funktion als Nahrungsmittel, auch als Fermentationsrohstoff für biotechnologische oder Rohstoff für chemische und physikalische Weiterverarbeitungsverfahren dienen. Sie sind zudem wichtige Ausgangsstoffe für die Bio-Ethanol Produktion.

Pflanzenöl- und Algen-Bioraffinerie

In Pflanzenöl und Algen-Bioraffinerien werden Ölsaaten oder Ölfrüchte zunächst zu Pflanzenölen verarbeitet. Diese können dann als Rohprodukte für Biokraft- und Bioschmierstoffe dienen und in der Oleochemie weiterverarbeitet werden. Das finnische Unternehmen Neste verarbeitet z. B. gebrauchte Speiseöle und -fette zu Biodiesel. Als Nebenprodukt entsteht dabei sogenanntes Bio-Naphtha was im Anschluss u. a. für die Produktion von biobasiertem Polypropylen eingesetzt wird und damit den Einsatz von fossilen Rohstoffen bei der Produktion von Kunststoffen reduziert.

Lignocellulose-Bioraffinerie und Grüne Bioraffinerie

Neben Anbaubiomasse eignen sich auch Holz, Stroh und weitere agrar- und forstwirtschaftliche Reststoffe für den Einsatz in Bioraffinerien. Die Lignocellulose bildete die Zellwand von verholzten Pflanzen und ist aus Cellulose, Hemicellulosen und Lignin aufgebaut. Diese Nachwachsenden Rohstoffe konkurrieren meist nicht mit der Nahrungsmittelproduktion und fallen teils in beträchtlichen Mengen bei deren Produktion an.

Ein Beispiel für solch eine Anlage ist die vom finnischen Unternehmen UPM geplante Bioraffinerie am Standort Leuna. Dort sollen ab den Jahr 2022 aus nachhaltig erwirtschaftetem Laubholz und Reststoffen aus Sägewerken biobasierte Basischemikalien gewonnen werden. Geplant ist die Produktion von Monoethylenglykol und Monopropylenglykol, welches bisher meist auf Basis von Erdöl hergestellt wird. Diese ermöglichen für eine Vielzahl von Anwendungen, darunter Textilien, Kunststoffe, Gummi, Kosmetika und Medikamente, sowohl den Verbrauch fossiler Rohstoffe wie auch Treibhausgas-Emissionen deutlich zu reduzieren.

Ein weiteres Beispiel ist eine Demonstrationsanlage der Firma Clariant in Straubing, in der mit Hilfe des sogenannten Sunliquid ®-Verfahrens, einem biotechnologischen Verfahren, aus Pflanzenreststoffen wie Getreide- oder Maisstroh oder auch Gräsern wie Miscanthus, Bio-Ethanol hergestellt werden kann. Dieses kann wiederum als Basischemikalie in die Produktion von Biokraftstoffen oder Chemieprodukten einfließen.

Gesonderte Informationen zur Grünen Bioraffinerie finden Sie hier.

Synthesegas-Bioraffinerie

Ein etwas anderer Ansatz bei der Verwertung von Lignocellulose-haltigen Rohstoffen ist die thermochemische Konversion zu Synthesegas. Hierbei wird die Biomasse zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff und anschließend weiter zu flüssigen Kohlenwasserstoffen verarbeitet. Diese Verfahren sind auch im Hinblick auf eine größere Nachfrage nach grünem Wasserstoff relevant. Werden hierbei flüssige Biokraftstoffe erzeugt, spricht man auch von BtL-Kraftstoffen (Biomass-to-Liquid).

Biogas-Bioraffinerie

Gesonderte Informationen zu diesem Bioraffineriekonzept finden Sie hier.

Im Rahmen der Bioökonomie-Strategie, stellen Bioraffinerien ein wichtiges Konzept dar, um die energetische und stoffliche Nutzung Nachwachsender Rohstoffe zu erweitern und voranzubringen. Die Erforschung und Realisierung von neuen innovativen Verfahren und Bioraffinerie-Anlagenkonzepten, aber auch die nachhaltige Produktion der Nachwachsenden Rohstoffe, sind weiterhin grundsätzliche Herausforderungen bei deren Etablierung. Sie stehen aber großen Chancen für die regionale Wertschöpfung, der Unabhängigkeit von Rohstoffimporten und der verbesserten Nachhaltigkeit von industrieller Produktion gegenüber, die zur Erfüllung der Treibhausgasminderungsziele in Zukunft vermehrt auf erneuerbare Kohlenstoffquellen angewiesen sein wird.