Fünf Vorträge, jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten haben uns im letzten Jahr zum “Thema Mehrweg in der Gastronomie” begleitet.
1. Vortrag: Ergebnisse einer Repräsentativbefragung zum Thema Nutzung von Mehrwegbehältern für Takeaway-Speisen
Dr. Elisabeth Süßbauer von der TU Berlin stellte uns die „Ergebnisse einer Repräsentativbefragung zum Thema Nutzung von Mehrwegbehältern für Takeaway-Speisen“ unter Endverbrauchern vor. Hier zeigte sich bereits, dass Mehrweg für Takeaway-Speisen im Alltag von KonsumentInnen noch nicht richtig „angekommen“ zu sein scheint. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, noch nie Mehrwegbehälter ausgeliehen zu haben. Die Herausforderungen entstehen häufig durch die Tatsache, dass Takeaway-Konsum spontan und nicht unbedingt geplant erfolgt, weniger durch die Nutzung der Behälter selbst. Zudem erschweren viele Unsicherheiten und alltagspraktische Herausforderungen in der Nutzung (bzgl. Transport, Aufbewahrung, Reinigung) die Motivation, Mehrweg zu nutzen. Gleichzeitig verbleiben zu viele Mehrwegbehälter in den Haushalten und werden dort privat genutzt, was sich an der Rückgabequote zeigt, die mit 54 Prozent zu niedrig ausfällt. Aus ökobilanzieller Sicht wäre eine schnelle Rückgabe am ökologisch sinnvollsten, da die Mehrwegbehälter für eine möglichst häufige Wiederverwendung in der Gastronomie entwickelt werden. Um die Akzeptanz und Nutzung von Mehrweg zu steigern, wird es demnach unerlässlich sein, Wissenslücken zur Funktionsweise von Mehrweg bei Endverbrauchern zu schließen.
2. Vortrag: Das Projekt REPAID
Carlotta Harms, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gGmbH, Berlin, stellte uns im Projekt „repaid“ unter anderem Hürden für die Mehrwegnutzung vor, demnach sind für Endverbraucher Bequemlichkeit, ggf. die Installation einer notwendigen App, Datenschutzbedenken, Hygienebedenken, nicht ausreichende Rückgabemöglichkeiten und das mangelnde Wissen um die Vorteile und das Angebot von Mehrweg Gründe, die Menschen von der Mehrwegnutzung abhalten. Zudem wird Pfand auch als ein Kostenpunkt wahrgenommen oder zumindest als abgeflossenes/nicht verfügbares Geld.
Für die Gastronomie hingegen stellen sich die Themen Logistik und Spülen sowie Versandkosten für den Erhalt der Behältnisse als problematisch dar. Die Möglichkeit eines Reinigungsservices würde laut Studie als ein starker Anreiz zur Nutzung durch die Gastronomen angesehen werden.
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Abfragen durch das Personal, sichtbare Platzierung der Mehrwegbehälter, Rückgabescanner bei VYTAL-Behältnissen, Preisnachlass bei Mehrweg-Nutzung die Kundschaft motivieren, Mehrweg zu nutzen. Für künftige Planungen sollten folgende Möglichkeiten für die Rückgabe in Betracht gezogen werden: dezentrale und systemoffene Rückgabemöglichkeiten, unabhängige Rückgabe bei Tankstellen oder Bahnhöfen, ein Netzwerk mit DHL/Supermärkten zur Verteilung der Mehrwegbehältnisse, insgesamt eine wesentlich umfassendere Rückgabeinfrastruktur, die darauf abzielt, es für Laufkundschaft möglichst einfach zu machen, Mehrweg zu nutzen und sie erst einmal zur Nutzung von Mehrweg zu motivieren. Automatisierte, zentrale und an öffentlichem zugänglichem Ort mögliche Rückgaben und gleichzeitig auch die Einbindung von Lieferdiensten wären wichtig, um die Rückgabe für Endverbraucher so einfach wie möglich zu machen. Zusätzlich muss der regulatorischer Rahmen verbessert werden, z.B. durch “Sanktionen” für Einwegnutzung oder ein mögliches Einweg-Verbot und die Bewusstseinsbildung für Mehrwegnutzung in der Gesellschaft gestärkt werden, durch übergreifende Ansätze, wie Plakate in der Stadt, Informationen in Bussen oder an anderen Orten wo man Zeit hat, etwas zu lesen und auch große Kampagnen.
3. Vortrag: Haar geht den Mehrweg
Wir haben uns im September zusammen mit Tilmann Walz, ReFrastructure – Stiftung für digitale Mehrweginfrastruktur gGmbH, Esslingen am Neckar, einem Projekt gewidmet, das alternative Rückgabemöglichkeiten testet: In Haar konnten im Testzeitraum Mehrweg-Gebinde, unabhängig vom angebotenen Mehrwegsystem, an allen teilnehmenden Standpunkten zurückgegeben werden. Wobei die Mikrologistik innerhalb der Gemeinde mit Lastenrad erfolgte und die Erprobung einer zentralen Spülung mit einem externen Dienstleister durchgeführt wurde. Durch dieses Projekt gewann man folgende Erkenntnisse: es bedarf eines stärkeren Vollzugs der Mehrwegangebotspflicht, zusätzliche Regulierungen, wie bspw. eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, zudem ist es notwendig, die Software und Prozesse zu optimieren, um eine noch einfachere Handhabung für die GastronomInnen zu gewährleisten.
4. Vortrag: Glas?Klar! – Das Mehrwegsystem für Münster und das Münsterland
Nicolai Meyer, Stadt Münster, präsentierte uns mit “Glas?klar” ist ein Mehrwegprojekt, das Glas-Mehrweg-Behälter einsetzt. Es wurde im April 2023 abgeschlossen. Das Glas-Mehrweg System ist weiterhin auf dem Markt verfügbar, wird von 10 Betrieben mit der App genutzt und war Vorreiter für Glas-Mehrwegmodelle, wobei die Glasschalen laut Anbietern eher in geschlossenen Systemen (Gemeinschaftsverpflegung, Kantinen, Schulen) zur Nutzung kommen.
5. Vortrag: Die Verpackungssteuer in Tübingen
Claudia Patzwahl, Leitung Einführung Verpackungssteuer bei der Stadt Tübingen, präsentierte uns einen besonderen Vorstoß gegen die Verpackungsflut, der großes Aufsehen erregte und inzwischen für viele Städte nachahmenswert geworden ist. Als erste Stadt in Deutschland hat die Universitätsstadt Tübingen eine kommunale Verpackungssteuer eingeführt. Steuerpflichtig sind klassische Imbissgeschäfte wie z.B. Dönerverkauf, Systemgastronomie, wie McDonald‘s, Burger King, Subway, Supermärkte, Tankstellen mit Verkauf von Lebensmitteln, Bäckereien, Cafés, Metzgereien, Gaststätten, Restaurants, Schulen und Betriebskantinen.
Viele dieser Betriebe geben die Kosten für Einwegverpackungen an die Kunden weiter, so dass die Nutzung von Mehrwegverpackungen lukrativer wird.
Gründe für die Einführung der Steuer waren die Vermüllung durch Einwegverpackungen, die Entsorgungskosten für Verpackungsmüll, die die Stadt ca. 700.000€ / Jahr kostete und die Tatsache, dass ein Mehrweg – Förderprogramm allein nicht ausreichend war, um die Gastronomen von der Nutzung von Mehrweg zu überzeugen und die Kunden zu Nutzung von Mehrweg zu motivieren.
Eine Franchisenehmerin von McDonald´s klagte gegen diese Steuer, dies endete mit einem Urteil vor dem Bundesverwaltungsgericht, das am 24.Mai 2023 entschied: „Die Tübinger Verpackungssteuer ist im Wesentlichen rechtmäßig.“
Anfang September 2023 reichte die Tübinger Franchisenehmerin von McDonald´s dann Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Auch hier unterlag die Franchise-Nehmerin und das Bundesverfassungsgericht entschied: die Verpackungssteuer ist rechtmäßig. Tübingen nimmt mit der Verpackungssteuer jährlich einen höheren 6-stelligen Betrag ein, der die Verwaltungskosten bei weitem übersteigt.
Ausblick
Die Webseminarreihe „Mehrweg in der Gastronomie“ hat die Vielfältigkeit des Themas Mehrweg aufgezeigt. Sie hat Lösungen und ungelöste Punkte präsentiert, hat auf Verbesserungsmöglichkeiten hingewiesen und Hinweise auf die Einstellungen, Erwartungen und Forderungen von Seiten der Endverbraucher und der Gastronomie gegeben. Diese Punkte anzugehen, wird Aufgabe für die kommenden Jahre sein, um das Thema „Mehrweg“ zum Erfolg führen zu können.
Auch 2025 erwarten Sie wieder neue Vorträge, die in loser Reihenfolge angeboten werden.
1. Vortrag in 2025: Mehrweg Modell Stadt
2025 gab es einen weiterer Vortrag zum Thema Mehrweg in der Gastronomie, hier wurde das Modell Mehrweg Modell Stadt in Mainz und Wiesbaden vorgestellt. Mehrweg Modell Stadt hat Rückgabestellen für Mehrwegbehältnisse von verschiedenen Mehrwegsystem-Anbietern getestet, entweder in lokalen Geschäften oder über Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum. Ebenso wurde die Rücklogistik und hygienische Reinigung und erneute Bereitstellung von gereinigten Mehrweggegenständen in Mehrwegtransportverpackungen umgesetzt.
Getestet wurde die gebündelte Rücknahme und Rückführung aller Mehrwegsortimente, unabhängig vom Anbieter, basierend auf bereits bestehenden Logistik- und Mehrwegkreisläufen. Man kam zu der Erkenntnis, dass übergreifende Rücknahme von Mehrweg To-Go Bechern funktioniert, es kamen im Schnitt 68% der Mehrwegbecher im Ausgabebetrieb wieder zurück, 78% im gleichen Unternehmen, aber in unterschiedlichen Betrieben. 22-32% der ausgegebenen Mehrwegbecher mussten im Schnitt letztlich zwischen den Betrieben ausgeglichen werden. Das bedeutet, Mehrweg To-Go findet in sehr lokalem Rahmen statt. Im Projekt wollte man eine verbraucherfreundliche Rückgabe gestalten, d.h. einfache Abgabe von Mehrwegbechern „überall“ war möglich, wobei die Netzwerkgröße immer abhängig von der Anzahl der vor Ort teilnehmenden Unternehmen war.
Wichtig ist grundsätzlich, dass bei steigenden Mehrwegquoten betroffene (Gastro-)Unternehmen entlastet werden. Hier haben Kommunen gute Gestaltungsmöglichkeiten, im Dialog zwischen Kommunalverwaltung und Wirtschaft vor Ort kann existierende Logistik in die Rücknahme-, Spül- und Rückverteillogistik vor Ort eingebunden werden. Das Projekt hat gezeigt, dass dies funktioniert, wobei eine 2-3 malige Abholung pro Woche zu beachten ist. Zur Finanzierung solcher Logistik ist eine gezielte Nutzung von öffentlichen Geldern denkbar, etwa aus dem Einwegkunststofffonds.
2. Vortrag in 2025: Mehrweg in der Hotellerie
Rückblick folgt
3. Vortrag in 2025: Mehrweg im Lebensmitteleinzelhandel
Anmeldungen zum kostenfreien WebSeminar am 21. Mai 2025 sind ab sofort möglich:
Danke!
Wir bedanken uns bei allen Referierenden und Teilnehmenden für die interessanten Einblicke in dieses zukunftsweisende Thema und freuen uns auf weitere spannende Projekte und Veranstaltungen.
Weitere Informationen
C.A.R.M.E.N. e.V. hat eine Übersichtsseite zum Thema Mehrweg erstellt, die kontinuierlich erweitert wird: Mehrweg – Informationen, Systeme, Projekte und Aktionen.