Praxisbeispiel: Mieterstrom, EE 40 Plus & Barrierefreiheit

Ob Strom vom eigenen Dach, Energieverbrauch per App überblicken, barrierefreier Wohnraum oder Energieeffizienzstandard 40 Plus: Das Mehrfamilienhaus von Markus Preckwinkel aus Bogen bietet ein spannendes Praxisbeispiel für einen Neubau, den es so bisher in der Region noch nicht gegeben hat.

Das Gebäude mit Effizienzhaus-Stufe 40 Plus versorgt seine sieben Wohneinheiten mit Mieterstrom von der eigenen PV-Anlage auf dem Dach. Zusammen mit einem hauseigenen Blockheizkraftwerk sorgt diese für Stromautarkie. Doch im Zentrum der Planung stand zunächst ein sozialer Aspekt. “Grundmotivation für den Neubau war die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum für Rollstuhlfahrende und sozialem Wohnungsbau”, erklärt Markus Preckwinkel, der unter anderem auch ehrenamtlich VdK-Barriereberater ist. Zur Barrierefreiheit gehört für ihn mehr als ein Aufzug und stufenlose Türschwellen. Auch die ausreichende Geräumigkeit für Wendemanöver, Sicherheitsmarkierungen an Glastüren oder die Möglichkeit einer Sprachausgabe an Klingelanlagen gehören hier zum Standard.

Fotos: Annemarie Bruckert und Markus Preckwinkel

Doch auch die Themen Effizienz und Autarkie spielten bei den Planungen eine große Rolle. “Wir haben uns für den höchsten Effizienzgrad für einen KfW-geförderten Neubau entschlossen, auch wenn das zu dieser Zeit alles andere als üblich war. Der Endenergiebedarf des Gebäudes liegt bei lediglich 33 kWh/(m2 a)”, so der Bauherr aus Bogen. Zudem seien wo möglich auch Dämmmaterialien aus Nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt worden, wie z. B. Holzfaserdämmplatten und Ziegel mit Holzkern mit entsprechend niedrigen Wärmeleitwerten.

Doch was bedeutet eigentlich Energieeffizienzstandard 40 Plus? Die Kennzahl 40 gibt an, dass das Gebäude nur 40 % Primär­energie benötigt, verglichen mit einem Referenz­gebäude (nach Gebäude­energie­gesetz), und der Trans­missions­wärme­verlust bei nur 55 % des Referenz­gebäudes liegt. Der bauliche Wärme­schutz ist somit um 45 % besser als der Vergleichsbau. Der Zusatz “Plus” bedeutet, dass das Gebäude zusätzliche Anforderungen erfüllt, die zur Einsparung von Ressourcen beitragen: Eigenstromerzeugung, stationäres Batteriesystem, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und benutzerfreundliche Visualisierung des Stromverbrauchs. Ein weiterer Pluspunkt für die Effizienz ist sicher auch die im ganzen Gebäude installierte Automatisierungslösung mit KNX, mithilfe derer Temperatur, Luftqualität, Beschattung sowie Beleuchtung in den einzelnen Räumen individuell geregelt werden kann.

Strom vom eigenen Dach

Eine PV-Anlage mit rund 20 kWp installierter Leistung auf dem Süd-Dach versorgt das Gebäude mit günstigem Solarstrom. Drei Heizstäbe im Pufferspeicher ermöglichen es zudem, dass die PV-Anlage im Sommer auch die Brauchwassererwärmung übernehmen kann. Kann der Solarstrom nicht sofort verbraucht oder in Wärme umgewandelt werden, besteht die Möglichkeit, diesen in einem Batteriespeicher zu “bevorraten”.

Das Mieterstromkonzept

Im Rahmen eines sogenannten Mieterstromkonzepts wird der Strom aus der PV-Anlage an die Mieterinnen und Mieter verkauft. Da für den Betreibenden des Mieterstromkonzepts zusätzliche Aufgaben zukommen und ein entsprechendes Zählerkonzept eingerichtet werden muss, gibt es eine staatliche Förderung für Mieterstrom. Für die Mieterinnen und Mieter muss dafür der Strompreis 10 % niedriger als beim Grundversorger sein, sodass diese auf jeden Fall vom günstigeren PV-Strom profitieren. 32 Cent kostet die kWh Strom derzeit, dazu kommt eine Grundgebühr von 120 € für Stromzähler und Verwaltung.

Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

Die Räumlichkeiten werden über eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit frischer Luft versorgt. Dazu kommen hier dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Damit die Wärme in der “verbrauchten” Raumluft beim Austausch nicht an die Umwelt verloren wird, zieht ein Keramikwärmetauscher sie aus der Abluft, bevor sie nach außen strömt, und wärmt die nach innen strömende Frischluft gleichzeitig vor. Somit lässt sich bis zu 90 % der Wärme “zurückgewinnen” und Heizenergie einsparen. Wird ein Fenster geöffnet, wird außerdem dank der intelligenten Gebäudetechnik im jeweiligen Raum Heizung und Lüftung automatisch ausgeschaltet.

Stromspeicher

Wenn bei Sonnenschein sehr viel erneuerbarer Strom vom Dach erzeugt wird, kommt ein 20 kWh Batteriespeicher zum Einsatz. Dieser optimiert die Eigenstromnutzung durch die Mietenden. Alles was zum Zeitpunkt des Sonnenscheins nicht verbraucht werden kann, wird sozusagen für später aufgehoben. Sollte es zu einem Stromausfall kommen, kann zudem über den Speicher das Gebäude mit Notstrom versorgt werden.

Visualisierung des Stromverbrauchs

Eine Smartphone-App visualisiert den Bewohnenden wie viel Strom die PV-Anlage auf dem Dach gerade produziert und wie hoch ihr persönlicher Stromverbrauch – sozusagen “live” zum Mitverfolgen. Dadurch haben die Mieterinnen und Mieter ihren eignen Energiebedarf besser im Blick und können zudem hohen Stromverbrauch (z. B. das Wäschewaschen) auf sonnenreiche Stunden abstimmen.

Fußbodenheizung

Die Räumlichkeiten verfügen über Fußbodenheizungen, die es ermöglichen, mit niedrigen Vorlauftemperaturen von ca. 26 °C – 28 °C zu heizen. Grundsätzlich würde sich hier der Einsatz einer Wärmepumpe sehr gut eignen. In diesem Fall wurde jedoch auf eine andere Alternative gesetzt: Ein hauseigenes kleines Blockheizkraftwerk, welches im Jahr etwa 12.300 kWh Strom und 31.800 kWh Wärme zur Verfügung stellt.

Wärmeversorgung

Der “Dachs” – ein Gas-Blockheizkraftwerk mit 15 kW thermischer Leistung und 5,5 kW elektrischer Leistung – versorgt das Gebäude immer dann mit Energie, wenn der Strom aus der PV-Anlage nicht ausreicht. Meistens sei hierfür die höchste Leistungsstufe gar nicht nötig, weshalb das BHKW entsprechend des aktuellen Strom- bzw. Wärmebedarfs häufig heruntergesteuert wird.

Die anfallende Wärme wird in zwei 1.000 Litern Pufferspeicher zwischengespeichert, die bei PV-Stromüberschüssen durch drei Heizstäbe unterstützt werden. Im Sommer kann das BHKW somit häufig aus bleiben.

“Übers Jahr gesehen erreichen wir mit dem Strom aus der PV-Anlage und dem BHKW einen Autarkiegrad von 99 %”, so Eigentümer Markus Preckwinkel. Andererseits muss durch den Einsatz von Erdgas als Brennstoff für das BHKW dieses natürlich von einem Energieversorger zugekauft werden.

Wie geht es weiter?

Mit dem Projekt “Falkenring 26” ist aber längst noch nicht Schluss. In Zukunft soll auch das Nachbargebäude über ein Gebäudenetz mit der Wärme aus dem BHKW und einer Wärmepumpe versorgt werden. Da hier neben Flächenheizungen auch Heizkörper mit höheren Vorlauftemperaturen zum Einsatz kommen, werden die Pufferspeicher auf unterschiedlichen Temperaturniveaus operieren, um die Heizkreisläufe effizient zu bedienen. Auch gebäudeeigene Ladesäulen für E-Mobilität sind bereits in Planung.

Weitere Informationen zum Praxisbeispiel finden Sie hier.